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Ein genauer Blick lohnt sich!


Es klingt wie eine Frohbotschaft der Bildungslandschaft!

Arbeitszeit: ca. 8h.
Arbeitsmittel: Gehirn, PDF, WordPress, AffinityPhoto, Perplexity.ai, DeepL, Flux

Kürzlich stolperte ich über einen Beitrag auf → LinkedIn, in dem Frau D. Bär Deutschland als MINT-Weltmeister kürte. Ihr Ministerium stützt sich auf die aktuelle → OECD-Studie (s. unten ungebunden). Ohne lange zu recherchieren verkündete ich in meinen Chemie- und Biologie-Klassen (auch Oberstufe Gymnasium) die frohe Kunde und motivierte die Schüler diesen Trend fortzusetzen und ebenfalls ein MINT-Studium in den Fokus ihrer Berufswahl zu nehmen.

LinkedIn-Post zur OECD-Studie 2024

Was bedeutet die OECD-Studie tatsächlich?

Konkret heißt die Botschaft:

„Deutschland ist MINT-Weltmeister bei den ausländischen Bachelor-Absolventen!“

 

Absolventen der Hochschulen (Tertiärbereich)

Abb. A1.1: Absolventenzahlen von Studenten im Allgemeinen.

Bevor man sich mit der Frage nach dem Weltmeister beschäftigt, sollte man sich zunächst einen Überblick darüber verschaffen, bei welchem Rennen man teilnimmt. Zunächst geht es um Abschlüsse im Allgemeinen. In Abbildung A1.1 sind Master- und Bachelor-Abschlüsse anteilig zu allen Bildungsabschlüssen dargestellt. Dabei rangiert Deutschland bei Masterabschlüssen im hinteren Drittel. Daher darf durchaus die Frage gestellt werden, welche Bedeutung der Bachelorabschluss im Berufsleben hat. Wer den Bachelor macht, wird ziemlich sicher auch den Master machen. Leider werden in der Studie keine Abgängerquoten nach der Bachelorprüfung aufgeführt.

Interessant sind die Chancen auf dem Arbeitsmarkt.


Arbeitsmarktsituation

Abb. A1.3: Arbeitsmarktsituation in den MINT-Bereichen.

Betrachtet man den Arbeitsmarkt, wird deutlich, dass in Deutschland ein großer Teil der 29- bis 64-Jährigen in den MINT-Bereichen beruflich tätig ist (siehe Abbildung A1.3). In dieser Hinsicht sind wir wirklich Spitzenreiter. Da ich mich sehr für Chemie und Biologie interessiere, darf man durchaus einen differenzierten Blick auf den MINT-Begriff werfen. Nach genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass die Naturwissenschaften und die Informatik jeweils nur 5 % ausmachen. Das bedeutet, dass der Löwenanteil der MINT-Berufe auf technische Fachrichtungen entfällt. International belegt Deutschland mit den Naturwissenschaften somit Platz 11 von 35.


Erwerbslose in den MINT-Berufen

Abb. A3.6: Arbeitslosenquoten in den MINT-Berufen.

Was möchtest du später einmal studieren? Solche Fragen werden oft gefühlsgetrieben mit Begriffen wie „Spaß”, „Freizeit” oder „Work-Life-Balance” in Verbindung gebracht. Viel wichtiger erscheint mir jedoch die Frage: „Mit welchen Themen kann ich mich identifizieren und in welchem Bereich habe ich gute Arbeitschancen?”

Da fällt der Blick unweigerlich auf die Arbeitsmarktsituation. Ob man später einen Job findet, zeigt Abbildung A3.6. Deutschland macht sich darin tatsächlich gut. Wer MINT-Fächer studiert, muss später weniger wahrscheinlich mit Arbeitslosigkeit rechnen: In den Naturwissenschaften liegt die Quote bei 4 %, in den technischen Berufen bei 2 %. Das ist doch beruhigend, oder?


Ausländische Absolventen

Abb. A4.2: Ausländische Absolventen in den MINT-Fächern.

Und damit sind wir bei der großen Frage. Sind wir wirklich Weltmeister? Ja. Wenn man die richtige Statistik heranzieht!

Wie Abbildung A4.2 zeigt, gehört Deutschland zur Weltspitze der MINT-Absolventen. Deutschland hat einen großen Anteil ausländischer Studenten von 13 % (eine Verdopplung seit zehn Jahren) und wer ein Studium in den MINT-Fächern aufnimmt und den Bachelor erreicht, setzt in der Regel das Studium fort. Den Prozentsatz der Bachelor-Absolventen konnte ich auf den 700 Seiten nicht finden. Das wäre aber interessant gewesen. Folgendes ist komisch: 35 % machen einen Bachelor-Abschluss. Ebenfalls 35 % machen einen Master. Na sowas!

Oder bedeutet das, dass 35 % der Studierenden nach dem Bachelor ins Berufsleben gehen und 35 % einen Master machen? Das würde bedeuten, dass die Abbrecherquote nur bei 30% liegt. Das erscheint mir unglaubwürdig, denn Studien, z. B. vom Institut der deutschen Wirtschaft, zeigen, dass die Abbrecherquote in den MINT-Fächern bei 50 % liegt.

Abschließend.
Ich kann mich nicht so recht über den Weltmeistertitel freuen, wenn man doch weiß, dass ein großer Teil der ausländischen Studenten wieder in seine Heimat zurückgeht und das Know-how der deutschen Hochschulen somit nicht im Inland eingesetzt wird. Finanziert wird deren Studium aber mit deutschem Steuergeld. Zählt das dann auch in den Topf „Entwicklungshilfe”? Ich frage für ’nen Freund.



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